Das mysteriöse Verschwinden des Doktor Helbich (NÖ)
Verfasst: Di 13. Jan 2015, 21:23
Aus: "Dunkle Geschichten aus dem Alten Österreich" von Barbara Wolfingseder:...In St. Leonhard im Hornerwald ... geht ein kleiner, bärtiger Mann in altmodischer Kleidung um, der sich gelegentlich nach dem Befinden eines längst Verstorbenen erkundigt oder nach der Uhrzeit fragt, heißt es.
Und genauso plötzlich wie der Mann, dessen Namen keiner kennt, aus den Tiefen der Wälder auftaucht, ist er auch wieder entschwunden. Bei dieser Gestalt, so wird berichtet, dürfte es sich um den Geist eines Wiener Arztes handeln, der Mitte des 19. Jahrhunderts in die Gegend gezogen war und von einem Tag auf den anderen unauffindbar gewesen sein soll. Ein Mysterium, das bis heute Rätsel aufgibt, denn seine Leiche wurde nie gefunden.
Viel mehr als der Name und einige Fragmente seiner Aufzeichnungen blieben von Dr. Wilbald Helbich nicht übrig. Was genau es war, das ihn dazu bewog, im fortgeschrittenen Alter ins Wolfshoferamt bei St. Leonhard zu übersiedeln, um dort als Landarzt zu arbeiten, ist nicht mehr bekannt. Die ungeheuerlichen Geschichten der Dorfbewohner, die ihm hinter vorgehaltener Hand erzählt wurden, waren es mit Sicherheit nicht. Für Hexen, Elfen und Kobolde konnte er sich nicht im Geringsten erwärmen. Er soll sich im Gegenteil über den Aberglauben, an dem das hinterwäldlerische Landvolk noch immer festhielt, amüsiert haben.
Doch nach einiger Zeit keimte auch in ihm langsam Interesse am Übersinnlichen auf, das sich relativ rasch zu einer stürmischen Begeisterung auswuchs, die durchaus schon an Besessenheit grenzte. Er begann mit paranormalen Investigationen und forschte in alten Überlieferungen nach verschüttetem Wissen. Seine ganze Faszination galt dem "Vergessenen Wald" .... Hier entdeckte Helbich ein 400 Jahre altes, weit verzweigtes Höhlensystem....
In seinen Schriften dokumentierte er minutiös seine Erfahrungen, die allmählich seltener und immer kryptischer wurden. Zwei seiner Bücher sollen noch erhalten sein, doch hält sie der vermeintliche Besitzer hinter Schloss und Riegel.
Die einzige schriftliche Hinterlassenschaft, die angeblich einsehbar ist, sind Helbichs Notizen. Die letzte Eintragung des seltsamen Arztes aber endet abrupt mit den Worten: "Ich muss die Bücher vernichten. Alles verbrennen, auch jene, nach denen ich so lange suchen musste. Heute Nacht ..."
Ab dieser Stelle fehlen die Seiten, irgendjemand muss sie herausgerissen haben. Wer das war, weiß man nicht.
Ebensowenig weiß man über den weiteren Verbleib des Arztes Bescheid, denn in der Nacht zum 22. Dezember 1878, der ersten Raunacht, verschwand Wilbald Helbich auf unerklärliche Weise, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen - abgesehen von ein paar seiner Kleidungsstücke, die von einem Buben an einer Wegkreuzung gefunden worden sein sollen.